Wie hält man ein Messer, Wes Craven?

Interview mit Wes Craven, Großmeister der Horrorfilms und Regisseur der Scream-Trilogie

Warum müssen all diese netten jungen Menschen sterben?

 

Ich weiß es nicht. Warum muss überhaupt jemand sterben? Darauf weiß ich wirklich keine Antwort.

 

Aber Sie bringen sie doch um?

 

Ich bringe sie nicht um. Der Killer bringt sie um.

 

Wieviele Leichen muss es in den ersten 15 Minuten geben?

 

Es muss nur eine geben. Man muss die Aufmerksamkeit der Zuschauer bekommen. Normalerweise passiert das in den ersten 15 Minuten, dem Eröffnungsakt. Die Scream-Tradition ist: Reinkommen und gleich hart zuschlagen. Das haben wir zum Beispiel mit Drew Barrymore gemacht. Eine Leiche, oops, nein zwei, ich habe ihren Freund vergessen. In Scream 2 hatten wir bloss eine - nein, auch zwei Leichen. Man braucht also zwei Leichen in den ersten 15 Minuten.

 

Warum überlebt Sidney?

 

Weil sie Glück hat. Und weil sie stark und klug ist und den Mut hat, sich ihrem Dämonen zu stellen und nach Antworten zu suchen. So besiegt man fast alles, das Angst einflösst. Sie rennt nicht weg.

 

Wegrennen ist also keine gute Möglichkeit, um zu überleben?

 

Nicht auf lange Sicht. Ich denke, im allgemeinen geht es in Horrorfilmen darum, wie man mit Furcht und mit Bedrohung umgeht. Und das hat etwas mit dem Erwachsenwerden zu tun. Um erwachsen zu werden, muss man sich seinen Ängsten stellen, denn die hindern einen daran, frei zu sein.

 

War das Genre Horrorfilm mal tot?

 

Natürlich habe ich das von Zeit zu Zeit gehört, normalerweise immer dann, wenn ich gerade wieder so einen Film drehte. Aber ich glaube nicht, dass Horror je tot sein wird. Nicht solange es echte Gewalt in der echten Welt gibt. Wenn das irgendwann aufhört, werden die Leute sagen: Wer braucht Horrorfilme? Aber solange es echten Dinge in der Welt gibt, die Horror auslösen, solange wird es diese Filme geben, die damit umgehen.

 

Haben Sie je einen Serienmörder getroffen?

 

Ob ich je einen...? Nein. Nein!

 

Hatten Sie das denn mal vor?

 

Nein. Nicht unbedingt.

 

Haben Sie Angst davor, umgebracht zu werden?

 

Sicher, davor hat jeder Angst. Das ist doch furchterregend.

 

Welches ist die gruseligste Situation, die Sie sich vorstellen können?

 

Sterben.

 

Einfach nur sterben?

 

Sterben durch jemanden, der das genießt. Das ist noch viel gruseliger.

 

Oh ja. Wieviel Liter Kunstblut haben Sie während Ihrer Karriere verbraucht?

 

Ich habe keine Ahnung.

 

Haben Sie mal probiert, wie das schmeckt? Wie sich das auf der Haut anfühlt?

 

Sind das ernsthafte Fragen?

 

Ja. Gefallen Sie Ihnen nicht?

 

Sie wirken ein wenig frivol. Ich laufe doch nicht durch die Gegend und probiere Kunstblut!

 

Was ist die effektivste, bestaussehende Methode, jemanden auf der Leinwand umzubringen? Mit einem Messer?

 

(Pause) Ähem. Ich denke, ein Angriff mit einem Messer ist kaum zu überbieten. Die scharfe Klinge ist die älteste aller Waffen. Wir haben es, Tiere haben es, Pflanzen haben es. Die Klaue, der Zahn - alles Messer. Die einfache Möglichkeit, einen Körper zu öffnen - das wird meistens mit einem Messer dargestellt. Sehr persönlich. Sexuell kodiert. Es ist wahrscheinlich das erste Werkzeug, das Menschen hergestellt haben. Down to the basics.

 

Wie hält man ein Messer am besten?

 

Wo kommen diese Fragen her? Wo führt das hin? Denken sie, dass ich nachts im Dunkeln herumschleiche und Leute umbringe?

 

Sie müssen den Schauspielern ja erklären, wie das aussehen soll.

 

Jeder weiss, wie man auf jemanden einsticht, das ist etwas sehr Intuitives. Man braucht dafür kein besonderes Training, es ist sehr leicht.

Frauen halten das Messer meistens verkehrt, so über den Kopf. Dann kann man es ihnen leicht wegnehmen.

 

Nun, wissen Sie, ich habe mich mal näher mit Kampfkunst beschäftigt. Daher weiss ich, dass ein Angriff mit einem Messer, das tief gehalten wird, schwieriger abzuwehren ist. Aber trotzdem versuchen die meisten, von oben anzugreifen, denn kaum jemand hat Praxis im Erstechen. Meistens geschieht das ja im Affekt, da übt man vorher natürlich nicht vorher. Aber natürlich machen die Leute das unterschiedlich. Ich glaube, beim Militär lernt man, richtig zu schlitzen, damit der Gegner viel Blut verliert.

 

Warum sind meistens Männer die Killer?

 

Vielleicht, weil Männer vor Millionen Jahren Jäger waren. Sie waren traditionell die Kämpfer, die Krieger. Es macht anscheinend einen großen Teil der Männlichkeit aus, sich damit zu beschäftigen, über das Morden zu fantasieren, darüber nachzudenken, wie man verhindert, umgebracht zu werden oder zu träumen wie das wäre, wenn man ein Krieger wäre. Aggressoren eben. Die meisten Sportarten basieren ja auch darauf, es geht darum, jemanden zu schlagen. Wettkampf. Die meisten Männer denken darüber sehr viel nach.

 

Was ist der Spaß daran, sich zu gruseln?

 

Dass man auf sichere Art und Weise erschreckt wird. Sich im wahren Leben zu gruseln, das ist überhaupt kein Spass. Es ist die Tatsache, dass man an einem sicheren Ort ist und das alles nur in der Phantasie passiert. Das ist vergleichbar mit Bungee-Springen oder Achterbahn. Man hat das Gefühl, man hat den Tod gesehen und den Tod betrogen. Und den Tod fürchten wir alle. Wir wissen, dass wir ihm irgendwann ins Gesicht sehen müssen. Wenn wir in der Lage sind, das auszuprobieren, ohne dass uns etwas geschieht, wenn wir auf der anderen Seite lebendig wieder herauskommen, dann ist das erheiternd.

Kirsten Rick