"Ich bin ein Exot"

Roberto Blanco im Juli 2010 über die Anfänge seiner Karriere und seine ersten Erfahrungen mit Frauen

Roberto Blanco: Sie kommen aus Hamburg? Das ist meine Lieblingsstadt! 1954 war ich zum ersten Mal dort, mein Vater hatte ein Engagement im "Allotria", einem großen Varietehaus an der Reeperbahn. Das war ein berühmtes Familienvariete, mit Nachmittags- und Abendvorstellungen. Ich kam von Madrid angeflogen, mit der Super Constellation, um  Urlaub zur machen. Drei Jahre später, 1957, habe ich in Hamburg meine erste Schallplatte aufgenommen. Der Arrangeur hieß Last.

 

James Last?

 

Roberto Blanco: Damals noch Hansi Last. Aber darf ich ehrlich sein? Hamburg habe ich langsam lieben gelernt. Damals waren mir die Hamburger zu "spitzestein" und Hamburg war grau in grau, nach dem Krieg war alles kaputt. Aber wie sich die Stadt entwickelt hat. Diese Alster! Dieses Hanseviertel! Hamburg ist ein Garten!

 

Trotzdem wohnen Sie in München. Sind Sie Münchner?

 

Roberto Blanco: Ich bin Weltmensch! Ich spreche sieben Sprachen: Deutsch, Spanisch, Französisch, Englisch, Italienisch und Arabisch. Und ein bisschen Portugiesisch. Ich bin in Tunesien geboren, im Libanon aufgewachsen, zwischendurch bin ich nach Ägypten gereist, nach Griechenland und Italien, durch ganz Europa, ich war immer unterwegs. Das bringt mein Beruf mit sich, ich habe fast auf der ganzen Welt gesungen.

 

Fehlt noch ein Auftrittsort?

 

Roberto Blanco: Las Vegas. Das war ein Traum von mir. Der Schriftzug: Caesers Palace proudly presents Roberto Blanco. Und darunter: Sold out.

 

Beim Schlagermove, der heute in Hamburg stattfindet, waren Sie schon dabei.

 

Roberto Blanco: Das war ein großer Erfolg, das Publikum hat getobt. Aber nennen Sie mich bitte nicht Schlagersänger! Ich hasse dieses Wort! Das gibt es in keiner anderen Sprache. Was soll das sein, ein Schlagersänger? Einer, der Schlager singt? Dann wären Sinatra und Sammy Davis Jr. auch Schlagersänger. Nein, ich bin Entertainer.

 

Wer ist der beste Sänger in Deutschland?

 

Roberto Blanco: Ausser mir? 

 

Ja.

 

Roberto Blanco: Es gibt viele gute Sänger. Xavier Naidoo hat eine schöne Stimme, Udo Lindenberg wiederum ist ganz anders, hat aber auch seine Fans. Udo Jürgens interpretiert seine Songs wunderbar, er ist für mich ein Entertainer mit Format, ebenso wie Peter Maffay. Manchen wünsche ich viel Erfolg, die höre ich mir aber nicht an. Ob mir gefällt, was sie singen oder nicht, ist egal. Ich habe Respekt. Und den wünsche ich mir auch. 

 

Haben Sie mal eine internationale Karriere angestrebt?

 

Roberto Blanco: Ja, ich hatte einen Vertrag bei einer großen Firma in Frankreich, bei der auch Charles Aznavour war. Man wollte von mir, dass ich mehr dort bin. Aber in Deutschland lief es so gut für mich, ich hatte Tourneen, Galas, ich war so beschäftigt.

 

Wie viele Auftritte haben Sie im Jahr?

 

Roberto Blanco: Das weiß nur mein Steuerberater. Ich lebe davon, und das nicht schlecht.

 

Sie sind viel aufgetreten und haben wenige Schallplatten gemacht.

 

Roberto Blanco: Ich glaube, das ist ein Phänomen. Ich war nie in der Hitparade auf Platz 1, meine Lieder "Ein bisschen Spaß muss sein" und "Der Puppenspieler von Mexiko" sind aus den 70er Jahren, aber ich bin immer noch da. Wenn ich heute spazieren gehe, höre ich aus jeder Ecke: "Ein bisschen Spaß muss sein". Bis heute! Überall!

 

Hatten Sie den Song eigentlich mal über?

 

Roberto Blanco: Nein! Nein! Nie! ich bin nicht undankbar. Gottseidank habe ich diesen Song. Ich wäre froh, wenn ich noch einmal so einen Song hätte.

 

Einen entscheidenden Ratschlag für Ihre Karriere hat Ihnen Josephine Baker gegeben.

 

Roberto Blanco: Sie hatte mich bei einem Auftritt im Kurhaus in Wiesbaden gesehen, kam danach zu mir in die Garderobe und sagte: "Du hast ganz wunderbar gesungen. Hast du Lust, in der Tournee als Vorprogramm aufzutreten?" Ich wusste gar nicht was ich sagen sollte, da war Madame Baker, die Frau mit den Bananen, die ich bewunderte. Ich stammelte nur: Ja, gern. Sie sagte: "Wenn du rausgehst, musst du als Sieger rausgehen. Keine Angst haben! Du musst zeigen: Hier bin ich! Immer positiv, immer nach vorn!" Das habe ich von ihr gelernt.

 

Und das haben Sie immer beherzigt. Ihre Karriere begann aber damit, dass Sie in einem Flugzeug von einem Regisseur für eine Filmrolle entdeckt wurden.

 

Roberto Blanco: Ich flog Ende 1956 von Madrid nach Frankfurt, mit einer Super Constellation Maschine. Die Stewardessen sprachen Englisch und Spanisch, ich habe ein bisschen mit ihnen kokettiert. Ich war jung, ich hatte eine tolle Figur. Am Zoll sprach mich der Regisseur Alfred Weidenmann an und notierte meine Adresse. Nach zwei Tagen war ein Brief da: "Wir brauchen ein Foto von ihnen mit freiem Oberkörper, denn der Film spielt in Afrika." Ich schickte das Bild, bekam die Rolle und gab mein Medizinstudium auf.

 

Was war das für eine Rolle?

 

Roberto Blanco: Ich war der Bursche von einem Kriegshelden, einem Jagdflieger. Man hat mich ihm als Geschenk gegeben.

 

Sie wurden verschenkt?

 

Roberto Blanco: Hören Sie mal, das war eine Rolle. Ich war kein Sklave, ich war sein Butler. Und wenn ich eine Rolle als Sklave gehabt hätte, dann hätte ich einen Sklaven gespielt. Gert Fröbe hat einen Kindermörder gespielt. Das hat man ihm doch auch nicht vorgeworfen. Im Theater gibt es die Bösen und die Guten.

 

Was wäre Ihre Traumrolle?

 

Roberto Blanco: Othello. Den hätte ich beinahe am Theater gespielt, doch der Intendant, der mich haben wollte, ist kurz vorher gestorben. Danach kam keiner wieder auf die Idee, mich zu fragen. Aber ich bin da. Und bereit.

 

Ihre Karriere als Sänger begann in der TV-Sendung "Dem Nachwuchs eine Chance" – eine Castingshow, würde man heute sagen.

 

Roberto Blanco: Das war ganz anders als heute! Ich habe gewonnen und einen Fernseh-Vertrag bekommen. Stargast in der Sendung war Lys Assia, die stellte mich dem Chef der Hamburger Plattenfirma Philips vor und ich bekam dort einen Vertrag über fünf Jahre, 1000 Mark monatlich zur Weiterentwicklung. Heute nehmen die jungen Sänger einen Titel auf und dann heißt es: Auf Wiedersehen. Und diese Beleidigungen in den Casting-Shows! Wenn jemand damals so etwas zu mir gesagt hätte, mit meinem Temperament, ich hätte ihm einen Tritt in den Hintern gegeben.

 

Ihre TV-Show "Ein Abend mit Roberto" hatte 1982 17 Millionen Zuschauer. Wie haben Sie das gemacht?

 

Roberto Blanco: Die Show war einfach gut! Es war alles live, das Orchester, der Gesang, das Ballett, das Publikum. Und damals gab es natürlich noch nicht so viele Fernsehsender wie heute.

 

Zum Thema Hautfarbe …

 

Roberto Blanco: Da gibt es kein Thema. Meine Hautfarbe war immer die beste Reklame für mich. Damals war ich der einzige Farbige in den Fernsehshows. Die Leute erkennen mich schon von weitem. Kennen Sie den Witz? Ein Weißer sagt zu mir: Du bist ein Farbiger. Ich sage: Du nennst mich Farbiger? Als du auf die Welt gekommen bist, warst du grau. Als man dir den ersten Klaps gegeben hat, warst du rot. Und jetzt gehst du in die Sonne, um braun zu werden. Und du sagst zu mir, ich bin Farbiger? Das ist Quatsch. Ich bin froh, dass ich bin wie ich bin.

 

Sie sind bei einer Generation beliebt, die selbstverständlich "Negerkuss" sagt.

 

Roberto Blanco: Na und? Das ist eine Süßigkeit. Was hat das mit mir zu tun? Soll ich mich deswegen ärgern? Ich habe noch nie etwas Unangenehmes erlebt, das mit meiner Hautfarbe zu tun hatte. Nach einer TV-Show in Warnemünde ging ich mit Karl Dall zum Hotel, da kam ein Haufen Skinheads auf uns zugestürmt. "Da ist Roberto Blanco!" riefen sie. Und was wollten die? Autogramme für ihre Mütter. Die habe ich ihnen natürlich gegeben.

 

Ihre Mutter ist gestorben, da waren Sie noch keine zwei Jahre alt. Ihre Kindheit haben Sie im Libanon in einem französischen Mädchenpensionat verbracht.

 

Roberto Blanco: Mein Vater hat nachts gearbeitet, für ein Bubenpensionat war ich zu klein. Die Nonnen im Mädchenpensionat haben sich in mich verliebt. Ich war fünf, sechs Jahre lang der einzige Bub unter tausenden Mädchen und Nonnen. Man hat mich verwöhnt!

 

Und Sie haben früh gelernt, wie Frauen ticken.

 

Roberto Blanco: Als ich sieben war, hat man mich erwischt, wie ich zweimal den Rock von einem Mädchen hochgehoben habe. Ich wollte den Unterschied sehen. Dann musste ich in ein Bubenpensionat. Beim Abschied haben alle geweint.

 

Bei Frauen kommen Sie noch immer gut an. Ihre Freundin Luzandra ist fast 40 Jahre jünger als Sie.

 

Roberto Blanco: Würden Sie Helmut Kohl auch fragen, ob das problematisch ist?

 

Ja

 

Roberto Blanco: Oder Johannes Heesters? Soll der sich eine 103jährige nehmen? Und wie viele Frauen haben Männer oder Liebhaber, die jünger sind? Der Liebe ist das Alter egal. Das ist nur eine Sache zwischen Luzandra und mir, das geht andere nichts an. Wenn man nicht immer daran erinnern würde, dass ich 73 bin, würde ich das gar nicht merken.

 

Sind die jungen Frauen heute anders als die jungen Frauen früher?

 

Roberto Blanco: Woher soll ich das wissen? Als ich jung war, habe ich eher ältere als jüngere Frauen gehabt. Als ich zwölf war, besuchte ich meinen Vater in Griechenland. Im Hotel spielte ich abends mit dem Portier Dame. Eines abends kam eine wunderschöne Frau, sie sah aus wie ein Mannequin mit Haaren bis zur Hüfte, und fragte, ob sie mitspielen darf. Sie hat mir eine Cola spendiert. Am nächsten Abend war sie wieder da, hatte das Dame-Spiel schon aufgebaut, die Cola schon bestellt. Danach fragte sie: Kommst Du auf einen Drink mit in mein Zimmer? Sie war 37 – und sie hat mich zum Mann gemacht. Da habe ich festgestellt: Dieser Sport gefällt mir!

 

Sie sind nicht nur als Liebhaber, sondern auch als Freund gefragt. Rudi Carrell hat Sie mal als seinen einzigen Freund bezeichnet. Was war das besondere an dieser Freundschaft?

 

Roberto Blanco: Ehrlichkeit. Offenheit. Wir haben zusammen gesessen und geredet. Wir hatten einen Kosenamen: Drosnoi. Wenn wir in der gleichen Stadt waren, haben wir uns wenigstens zehn Minuten gesehen. Wir haben gerochen, wenn der andere da war. Wenn er im Hotel angerufen hätte und ich wäre unter der Dusche gewesen, ich wäre auch nackt runter gegangen, um ihn nicht zu verpassen. Freundschaften muss man pflegen. Ich habe alle Geburtstage notiert und schreibe Karten. Ich habe auch ein Gedächtnis wie ein Elefant, kann mir Gesichter merken. Es gibt noch viele Menschen, die ich treffen möchte.

 

Wen denn?

 

Roberto Blanco: Mandela. Mit ihm würde ich gerne mal ein Bier trinken, fünf Minuten reden.

 

Über ein bestimmtes Thema?

 

Roberto Blanco: Einfach plaudern. Wissen Sie, die Themen kommen von ganz alleine, wenn man zusammen sitzt. Und Obama würde ich gerne treffen. Er ist ein großer Hoffnungsträger, er hat viele Dinge bewegt. Die Gesundheitsreform ist wichtig. In Amerika kann man in einem Krankenhaus umfallen und keiner hilft einem. Das geht doch nicht. Das muss man doch ändern!

 

Sie selbst ändern sich nicht mehr. Zumindest haben Sie seit 50 Jahren einen Look.

 

Roberto Blanco: Ich bin Künstler, kein Bundespräsident oder Bankier, der einen grauen Anzug tragen muss. Jacken in auffälligen Farben sind mein Markenzeichen. Das passt zu meiner Hautfarbe, was anderen Leuten nicht steht, das steht mir. Ich bin ein Exot. Ich könnte nie eine braune Jacke und ein braunes Hemd tragen - da sieht man nicht, wo ich anfange und wo ich aufhöre.

Kirsten Rick