Christian Bale als Patric Bateman in "American Psycho"
Christian Bale als Patric Bateman in "American Psycho"

"Auf eine Waffe gibt es keine Antwort"

Christian Bale über das Böse

Glauben Sie, dass jeder eine böse Seite hat?

 

Ich denke, dass jeder zu Zerstörung fähig ist. "Böse" ist für mich eine Art Leidenschaft. Das wirklich Beunruhigende ist Empfindungslosigkeit – wie

bei Patrick Bateman. Er hat keinen inneren Drang, Menschen zu verletzen. Er hat einfach nur herausgefunden, dass er das kann und das es ihm nichts ausmacht. Er stumpft mehr und mehr ab, deshalb muss er immer extremer werden – um überhaupt etwas zu fühlen.

 

Was ist die Ursache für fehlende Leidenschaft?

 

Das Gefühl der Hilflosigkeit. Das Gefühl, nichts ausrichten zu können. Das Gefühl der Nutzlosigkeit. Wenn sich dieses Gefühl erst eingebrannt hat, dann ist alles verloren. Dabei stimmt das gar nicht. Jeder kann etwas verändern. Jede Revolution wurde von einem Menschen begonnen.

 

Gibt es einen Ausweg?

 

Der Versuch, sich selbst zu erfüllen, etwas Sinnvolles zu tun, macht einen sensibler und aufmerksamer gegenüber anderen Menschen. Nun habe ich das Glück, einen Job zu haben, den ich als sehr erfüllend erlebe. Und ich sehe das Resultat meiner Arbeit. Viele Leute, die in einer Fabrik arbeiten, sind nur ein Rädchen im Produktionsprozess und das fertige Ergebnis wird sofort in ein anderes Land exportiert. Und sie sehen nie, wofür sie eigentlich am Fließband stehen. Manchmal ist es also schwierig, Erfüllung im Job zu finden. Dann muss die Erfüllung woanders herkommen – aus der Liebesbeziehung zum Beispiel. Ein großes Problem ist auch, das alles so schnell geht. Viele Leute versuchen verzweifelt, nicht übergangen zu werden und Geld zu verdienen, um das Haus abzuzahlen. Sie haben keine Zeit, nach Erfüllung zu suchen. Verdammt, ich glaube, die gesamte Gesellschaft muss neu justiert werden.

 

Leben wir in einer schlechten Welt?

 

Oh nein, es ist eine phantastische Welt! Aber, wie schon immer, gibt es eine Menge Probleme. Und die verschwinden auch nie. So lange es Menschen gibt, so lange die Welt komplex ist, wird es Probleme geben. Wenn man erst beginnt, darüber nachzudenken: Bevölkerungswachstum, wer Nahrung hat und wer nicht – das sieht alles nicht sehr vielversprechend aus. Wir werden immer mehr und es gibt nicht genug zu essen. Ganz deutlich: Wir haben ein Problem!

 

Haben Sie schon mal jemanden mit der Faust ins Gesicht geschlagen?

 

Ja. Ja, das habe ich.

 

Muss ein Mann so etwas tun?

 

Nein. Meistens kann das vermieden werden. Manche Menschen können einen in eine Situation bringen, in der das die einzig mögliche Antwort zu sein scheint. Natürlich kann man einen guten altmodischen Faustkampf haben. Bei einer Schlägerei verletzt man sich vielleicht, aber man stirbt nicht. Niemand will dabei jemanden umbringen. Heutzutage ist das anders. Man kann das nicht mehr machen, jedenfalls nicht in den USA. Man müsste befürchten, dabei getötet zu werden. Wenn man heute eine Schlägerei beginnt, zieht irgendein Idiot eine Waffe und erschießt dich. Das nimmt einem den ganzen Spaß an der Sache. Das geht doch zu weit!

 

Hatten Sie schon mal zum Spaß eine Schlägerei?

 

In der Schule. Aber da wurde das auch von einem erwartet. Ich war in L.A. schon mal in Situationen, wo Waffen präsent waren. Da macht man lieber gar nichts, denn auf eine Waffe gibt es keine Antwort.

 

Man sitzt einfach still da und hält den Mund?

 

Was sonst? Im Angesicht einer Waffe werden die meisten Konflikte lächerlich. Soll man sich ernsthaft wegen einer trivialen Angelegenheit erschießen lassen? Oh nein! Und, nein, ich musste zum Glück nie jemanden, den ich liebe, verteidigen.

 

Was denken Sie über die Todesstrafe?

 

Auf individueller Ebene, wenn also jemand einem Menschen, den ich liebe, etwas antut, dann würde ich diese Person umbringen wollen. Aber ich finde nicht, dass ein Gesetz einem Menschen das Leben nehmen darf. Ich bin gegen die Todesstrafe.

 

Wenn Sie könnten, würden Sie Ihre bösen Gedanken, Ihre böse Seite ausmerzen?

 

Nein, das würde ich nicht. Ich finde es spannend, durch meine Gedanken zu wandern. Ich liebe es, auch die dunklen Seiten zu durchschreiten. Man sollte seine Gedanken nicht beschränken. Es ist auch wichtig, ein bestimmtes Level an Aggression zu haben. Allein schon, um morgens aufzustehen. Manchmal brauche ich diese Aggression. Manchmal finde ich es phantastisch, mich zu streiten, zu brüllen und zu schreien. Manchmal braucht man das.

 

Was ist der dunkelste Ort in Ihren Gedanken?

 

Keine Ahnung. Ich kenne meine nur nicht. Ich finde meine dunkle Seite nicht cool. Aber natürlich ist es eine Tatsache, das Darth Vader cool ist. Der Böse ist immer faszinierend. Und den Bösen zu spielen ist sehr einfach. Man muss nur glaubhaft böse sein – und dann ist alles ganz einfach, denn man bekommt sofort die Aufmerksamkeit des Publikums. Die Zuschauer finden den Bösen immer faszinierend.

 

Wie würden Sie jemandem Angst einjagen?

 

Ich denke, die beste Methode ist ein Spiel, eine Art grausamer Scherz, der nicht endet. Und man gibt nicht zu, dass es ein Scherz ist. So kann man sich selber auch Angst einjagen. Man tut so, als wäre man jemand anders. Hmm, Schauspieler tun das ja oft. Und wenn man diesen Scherz zu lange betreibt, wird er zur Realität. Man wird jemand anderes – zum Beispiel der komplette Idiot, den man darstellt. Diese Verwirrung ist beängstigend.

 

Wie würden Sie jemandem drohen?

 

Wissen Sie, daran habe ich noch gar nicht so viele Gedanken verschwendet. Eine Drohung ist eine schwarz-weiß-Situation. Man weiß, wo man steht, man weiß, wo der andere steht, was er will. Aber wenn etwas einen wirklich verwirrt, ist das sehr viel beängstigender. Wenn man nicht weiß: Bin ich in einer gefährlichen Situation oder nicht? Ein Schurke, der lächelnd auf dich zukommt ist viel beängstigender als ein riesiger Kerl mit einem Baseballschläger. Bei dem weiß man doch sofort, was passiert: Man läuft weg oder man kämpft. Wenn jemand lächelt, könnte man denken, alles sei wunderbar – und plötzlich sticht dir jemand in den Rücken. Viel beängstigender. So war Bateman in "American Psycho". Er gab sich immer charmant – und niemand wußte, wie ihm geschah.

 

Was sind Serienkiller für Menschen?

 

Serienkiller sind oft sehr intelligent. Clever, aber seelenlos. Sie wissen, wie man das Spiel spielt. Sie wissen, wie die Gesellschaft funktioniert – und sie fühlen nichts. Sie sind in der Lage, mit Menschen zu spielen wie eine Katze mit einer Maus.

 

Sind Männer böser als Frauen?

 

Männer sind einfach simpler gestrickt. Wenn ein Mann unzufrieden ist, lässt er es raus, indem er jemanden schlägt. Am besten jemand Schwächeren. Und Frauen sind nun mal schwächer.